Beabsichtigt man, sein Geld an der Börse anzulegen, stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem richtigen Einstiegszeitpunkt. Schließlich investiert niemand gern seine hart erarbeiteten Ersparnisse, nur um diese postwendend wieder dahinschmelzen zu sehen. Doch es ist gerade diese Furcht vor etwaigen Kursverlusten, die viele Anleger zu lange an der Seitenlinie verharren lässt.
Um diesem Dilemma entgegenzuwirken, bedarf es klar definierter Anlageregeln. Diese sollten möglichst konkret vorgeben, wann genau ein Wertpapierkauf zu tätigen ist. Auch meine Anlagestrategie sieht solche Einstiegssignale vor. Dabei greife ich je nach Wertpapierart auf unterschiedliche Ansätze zurück.
Nachdem ich im letzten Artikel bereits meine ETF-Anlagestrategie vorgestellt habe, möchte ich mich nunmehr meinem Aktien-Portfolio und dem diesem zugrundeliegenden Bewertungsmodell widmen.
Meine Anlagestrategie
Über viele Jahre hinweg war ich ein überzeugter Anhänger des rein passiven Investierens. Vor einiger Zeit habe ich mich jedoch dazu entschlossen, meine bis dato eingleisige Anlagestrategie um gezielte Investitionen in Einzelaktien zu erweitern.
Zwar war mir von Beginn an bewusst, dass meine Anlagekünste niemals ausreichen würden, um zum nächsten Warren Buffett zu werden. Dennoch fühle ich mich wohl, nun da ich außergewöhnliche Marktsituationen auch aktiv nutzen kann.
Dabei betrachte ich mich selbst durchaus als langfristig orientierten Anleger. Wenn ich ein Investment tätige, gehe ich stets davon aus, dass ich die jeweilige Aktie für immer in meinem Portfolio behalten werde. Man könnte mich also durchaus auch als Buy-and-Hold-Investor bezeichnen.
Hiervon zeugt auch meine Vorliebe für Unternehmen, die über Dividendenausschüttungen möglichst hohe, aber sichere Barmittelzuflüsse generieren. Denn auf diese Weise schöpfe ich nicht nur den steuerlichen Vorteil des Sparerfreibetrags aus, sondern erhalte auch ständig neue Liquidität, um mein Aktien-Portfolio weiter auszubauen.
Mein Bewertungsmodell
Um eine geeignete Aktienauswahl treffen zu können, habe ich in den letzten Jahren ein eigenes Bewertungsmodell entwickelt. Darin enthalten sind neben sämtlichen DAX-, MDAX-, TecDAX– und SDAX-Mitgliedern auch viele ausländische Unternehmen aus internationalen Leitindizes (STOXX, EURO STOXX, S&P 500, NIKKEI) sowie diverse kleinere Börsentitel aus dem In- und Ausland. So bin ich inzwischen in der Lage, mehr als 400 Einzelaktien im Auge zu behalten.
In meinem Fokus befinden sich dabei vor allem solche Unternehmensanteile, die sich neben einer besonders attraktiven Bewertung bestenfalls auch durch eine hohe Dividendenrendite auszeichnen. Ob eine Aktie allerdings tatsächlich für mich in Frage kommt, mache ich stets an den folgenden vier Fragen fest:
- Wie günstig ist das Unternehmen?
- Wie stark ist das Unternehmen?
- Wie robust ist das Unternehmen?
- Ist die Aktie derzeit ein Schnäppchen?
Zur Beantwortung jeder dieser Fragen ließen sich zwar unzählige Kennzahlen heranziehen. Ich vertraue jedoch auf die in meinen Augen aussagekräftigsten Variablen, als da wären der Preis, der Gewinn und die Dividende.
Meine Bewertungsmethode
Wie attraktiv eine Aktie ist, mache ich daher an den folgenden Kriterien fest:
- Wann ist ein Unternehmen günstig?
Ich halte ein Unternehmen für günstig, wenn das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) niedriger ist, als das durchschnittliche KGV (seit 2004). Daher vergebe ich im Rahmen meiner Bewertung Pluspunkte (Minuspunkte), wenn das KGV aktuell günstiger (teurer) ist, als es in der Vergangenheit im Durchschnitt der Fall war.
- Wann ist ein Unternehmen stark?
Ich halte ein Unternehmen für stark, wenn es seine Gewinne sowohl lang- (seit 2004) als auch mittelfristig (seit 2011) steigern konnte. Für meine Bewertung berücksichtige ich dabei ausschließlich die jeweils geringere der beiden Wachstumsraten. Daher vergebe ich im Rahmen meiner Bewertung Pluspunkte (Minuspunkte), wenn das Unternehmen sowohl mittel- als auch langfristig ein positives (negatives) Gewinnwachstum aufweist.
- Wann ist ein Unternehmen robust?
Ich halte ein Unternehmen für robust, wenn es seine Gewinne langfristig (seit 2004) kontinuierlich steigern konnte. Daher vergebe ich im Rahmen meiner Bewertung Pluspunkte, wenn das Unternehmen seinen Gewinn Jahr für Jahr ausbauen konnte, und Minuspunkte, falls es zwischenzeitlich zu Gewinneinbußen oder sogar Verlusten gekommen ist.
- Wann ist ein Unternehmen ein Schnäppchen?
Ich halte ein Unternehmen für ein Schnäppchen, wenn dessen langfristige Gewinnentwicklung (seit 2004) das gegenwärtige KGV rechtfertigt. Daher vergebe ich im Rahmen meiner Bewertung Pluspunkte (Minuspunkte), wenn ich dem Unternehmen ein höheres (niedrigeres) KGV zugestehe, als wie es gegenwärtig der Fall ist.
Der „Jung in Rente“-Faktor
Zum Zwecke der Bewertung zählt mein Bewertungsmodell die jeweiligen Plus- und Minuspunkte eines jeden Unternehmens zusammen. Hieraus ergibt sich meine persönliche Bewertungskennzahl – der sogenannte „Jung in Rente“-Faktor (JiR-Faktor). Dieser gibt an, ob es sich bei der jeweiligen Aktie gegenwärtig um einen Kaufkandidaten handelt.
Unternehmen mit einem JiR-Faktor von unter -10% landen nur äußerst selten auf meiner Watchlist, geschweige denn in meinem Depot. Ab einem JiR-Faktor von -10% qualifiziert sich eine Aktie grundsätzlich für die engere Auswahl. Einen JiR-Faktor von 10% und höher interpretiere ich sodann als Kaufsignal.
Neben dem JiR-Faktor spielt bei meinen Kaufentscheidungen aber auch die Gewinnausschüttung des jeweiligen Unternehmens eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Daher prüfe ich vor jedem Kauf zusätzlich, wie es um Höhe, Stabilität und Wachstum der Dividende bestellt ist.
Mein Auswahlverfahren
Meine Bewertungsmethode stellt somit ein sehr selektives Auswahlverfahren dar. Während es bereits kaum ein Unternehmen gibt, welches einen JiR-Faktor von 10% erreicht, kommt es noch seltener vor, dass dieses Unternehmen auch noch eine bemerkenswerte Dividenden-Historie vorzuweisen hat.
Insgesamt ist mein Bewertungsmodell somit darauf ausgelegt, insbesondere solche Unternehmen zu identifizieren, die sich sowohl durch einen stabilen Geschäftsverlauf als auch durch ein kontinuierliches Gewinnwachstum aber auch durch einen außergewöhnlich niedrigen Preis auszeichnen.
Zyklische Unternehmen und „heiß gelaufene“ Aktien haben es bei mir hingegen schwer. In der Regel handelt es sich meist viel mehr um sogenannte Value-Aktien. Diese passen jedoch wiederum sehr gut zu meinem bereits anfangs erwähnten Buy-and-Hold-Ansatz.
Fazit
Das eigene Geld an der Börse zu investieren, kann dabei helfen, den Weg zur finanziellen Freiheit massiv zu verkürzen. Doch die Angst davor, zum falschen Zeitpunkt einzusteigen, hält viele Menschen davon ab, ihre Ersparnisse am Aktienmarkt anzulegen. Um diese Hemmschwelle zu senken, existieren diverse Anlageregeln, die konkret vorgeben, wann genau ein Wertpapierkauf zu tätigen ist.
Doch auch die schier endlose Zahl weltweit handelbarer Unternehmensanteile kann einen schnell überwältigen. Daher sollte man sich zunächst darüber klarwerden, auf welche Unternehmenscharakteristika man besonderen Wert legt. Auf diese Weise lässt sich das Aktienuniversum zielgerichteter nach geeigneten Kaufkandidaten durchforsten.
Dennoch bleibt es nicht aus, eine große Anzahl von Unternehmen ständig im Blick zu behalten. Zu diesem Zweck bietet sich erfahrungsgemäß ein eigenes Bewertungsmodell an. Ein solches sorgt nicht nur dafür, dass alle Unternehmen anhand der gleichen Kriterien bewertet werden und folglich eine optimale Vergleichbarkeit gegeben ist. Es erlaubt auch, auf Knopfdruck ein Ranking der in Frage kommenden Unternehmen zu erstellen.
Dank meines Bewertungsmodells weiß ich also nicht nur, welche Unternehmen meinem Risikoempfinden entsprechen und somit am ehesten für mich in Frage kommen, sondern auch, wann der richtige Zeitpunkt für einen entsprechenden Wertpapierkauf gekommen ist. Diese Erkenntnisse möchte ich jedoch nicht länger nur für mich behalten. Künftig werde ich daher regelmäßig darüber berichten, warum ein Unternehmen es auf meine Watchlist oder gar in mein Depot geschafft hat.
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