Nachdem die Börse zu Jahresbeginn noch vielerorts neue Allzeithochs markierte, kannten die Kurse seither fast nur eine Richtung.
So büßten Indizes wie der MSCI World, S&P 500 und DAX zeitweise deutlich mehr als 20% ein.
Damit befinden wir uns nun offiziell in einem sogenannten Bärenmarkt.
Es sollte also kaum überraschen, dass gerade viele jüngere Anleger, die erst nach dem Corona-Crash an die Börse gekommen sind, aktuell ziemlich verunsichert sind und nicht so recht wissen, wie sie mit der aktuellen Situation eigentlich umgehen sollen.
Erscheint es ratsam, seine Aktien und ETFs zu behalten, sollte man alle Wertpapiere verkaufen oder wäre es sogar ratsam, gerade jetzt weiter nachzukaufen, sind typische Fragen, die vielen Börsianern gerade den Kopf zerbrechen.
Für mich Grund genug, Euch einmal meinen Umgang mit den gegenwärtigen Kursturbulenzen näher zu bringen.
Vermögensaufbau in Zeiten des Bärenmarktes
Ich lege meine Ersparnisse nun bereits seit über 20 Jahren an der Börse an.
Insofern habe ich schon so einige Kurskapriolen – in die eine wie in die andere Richtung – hautnah miterlebt.
Darunter befanden sich mit dem Platzen der Dot-Com-Bubble, der großen Finanzkrise und dem Corona-Flash-Crash auch drei vollwertige Bärenmärkte.
Diese Erfahrungswerte helfen mir enorm dabei, mit dem aktuellen Kurseinbruch gelassener umzugehen.
Erkenntnisse aus 3 Bärenmärkten
Ich gebe zu, vom Platzen der Dot-Com-Bubble habe ich seinerzeit praktisch so gut wie nichts mitbekommen, da sich meine Ersparnisse im zarten Teenager-Alter nur auf ein paar Tausend Euro beliefen.
Die folgenden zwei Bärenmärkte sind mir dafür umso heftiger in Erinnerung geblieben.
Große Finanzkrise
Als es 2008 in Folge der Lehman-Pleite beinahe zur finanziellen Kernschmelze kam, war ich dank der ETF-Bibel Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs* von Gerd Kommer gerade erstmals mit dem Konzept der börsennotierten Indexfonds in Berührung gekommen und Feuer und Flamme, diese für meinen eigenen Vermögensaufbau einzusetzen.
So kam es, dass ich Ende 2008 – fast pünktlich zum Höhepunkt der Weltfinanzkrise – mein gesamtes Hab und Gut in ein breit diversifiziertes ETF-Portfolio bestehend aus STOXX Europe 600, MSCI North America, MSCI Pacific und MSCI Emerging Markets sowie den Small-Cap-Varianten des MSCI Europe und des MSCI USA investierte.
Und das Timing hätte kaum besser sein können.
Denn ich erwischte im Dezember 2008 nicht nur fast das Tief des damaligen Bärenmarktes, sondern konnte mich anschließend auch über steuerfreie Kursgewinne freuen, da die Abgeltungssteuer erst kurze Zeit später, nämlich Anfang 2009, in Kraft trat.
Der Mut, mitten im Crash zu investieren, wurde anschließend kräftig belohnt.
So verdoppelte sich der Wert meines ETF-Welt-Portfolios innerhalb von nur weniger als fünf Jahren.
Seither ist für mich klar, dass Phasen, in denen an der Börse absolute Untergangsstimmung herrscht, geradezu prädestiniert dafür sind, den Grundstein für das eigene Vermögen zu legen.
Und diese Lehre sollte sich viele Jahre später ein weiteres Mal bezahlt machen.
COVID-19-Pandemie
Im Frühjahr 2020 herrschte an der Börse erneut absolute Untergangsstimmung.
Eine bis dato kaum für möglich gehaltene Pandemie hatte die Welt kurzerhand lahmgelegt und auch die Märkte in eine Art Schockstarre versetzt.
Weltweit verloren die Aktienindizes im Zuge dessen deutlich mehr als 30%.
Bemerkenswert war dabei aber vor allen Dingen eine zuvor nie dagewesene Geschwindigkeit, mit der sich der Kursverfall vollzog.
So verging vom Allzeithoch bis zum Tiefpunkt gerade einmal etwa ein Monat.
Absoluter Rekord!
Auch mich versetzte die weltweite Kursimplosion zunächst in Angst und Schrecken.
Doch ich versuchte, meine 2008 gewonnenen Erkenntnisse für mich zu nutzen.
So schaffte ich es schließlich, meine Furcht zu überwinden und trotz der nicht enden wollenden Horrormeldungen am Aktienmarkt aktiv zu werden.
Letztlich gelang es mir so im März 2020, knapp €100.000 in Aktien und ETFs zu investieren.
Der Mut, abermals ins fallende Messer hinein zu investieren, machte sich anschließend erneut mehr als bezahlt.
Denn schon wenig später drehten die Kurse wieder ins Positive und erholten sich fast genauso schnell, wie sie vorher gefallen waren.
Meine Strategie im Bärenmarkt
Die letzten Bärenmärkte haben sich also durchaus positiv auf meinen eigenen Vermögensaufbau ausgewirkt.
Insofern dürfte es kaum verwundern, dass ich auch künftig versuchen werde, Kurseinbrüche an der Börse für mich zu nutzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich mir eine relativ simple Anlagestrategie auferlegt.
Hierbei handelt es sich um das sogenannte Value Averaging (nicht zu verwechseln mit dem weit verbreiteten Cost Averaging).
Kurz gesagt, investiert man dabei umso mehr Geld, je tiefer die Kurse fallen (bzw. umso weniger Geld, je höher die Kurse steigen).
Eine Vorgehensweise, die sich meines Erachtens insbesondere hervorragend für breit diversifizierte ETFs eignet, da man sich bei diesen – anders als bei vielen Einzelaktien – ziemlich sicher sein kann, dass deren Kurse irgendwann wieder neue Allzeithochs markieren werden.
Market-Timing im Bärenmarkt
Ich wende das Value Averaging daher bereits seit mehreren Jahren auf mein eigenes ETF-Welt-Portfolio an.
Heißt im Klartext: Während ich im Bullenmarkt so gut wie kein frisches Kapital in mein ETF-Depot nachschießen musste, da die Kursgewinne bereits für den erwünschten Wertzuwachs sorgten, werde ich in Bärenmärkten gewissermaßen gezwungen, überproportional viel neues Geld in zusätzliche ETF-Anteile zu investieren.
Zwar ist auch solch eine Anlagestrategie selbstverständlich nicht frei von Mankos.
Schließlich wäre es am renditeträchtigsten, seine gesamte Barreserve genau am absoluten Tiefpunkt eines Bärenmarktes an der Börse anzulegen.
Da ich jedoch nicht mehr so naiv bin, zu glauben, dass solch ein Market-Timing in der Praxis funktionieren könnte, habe ich es mittlerweile aufgegeben, auf die vermeintliche Talsohle zu warten.
Stattdessen kaufe ich einfach über den gesamten Bärenmarkt hinweg stetig zusätzliche ETF-Anteile zu immer niedrigeren Kursen nach.
Der größte Vorteil des Value Averaging besteht dabei darin, dass man in Krisenszenarien keine Gedanken mehr an den vermeintlich richtigen Einstiegszeitpunkt verschwenden muss und völlig emotionsfrei Nachkäufe tätigen kann.
Dies ermöglicht es mir, meine Anlagestrategie auch in extrem schwierigen Marktphasen durchzuhalten – ein Punkt, der zwar von vielen Privatanlegern gerne vernachlässigt wird, für mich aber zu den wichtigsten für einen langfristig erfolgreichen Vermögensaufbau gehört.
Aktueller Bärenmarkt in der Praxis
In den letzten Wochen ging es an den Börsen weltweit steil bergab.
Im Zuge dessen hat natürlich auch mein ETF-Portfolio ordentlich an Wert eingebüßt.
Gemäß meiner Anlagestrategie wurden daher diverse ETF-Nachkäufe fällig.
Seit Anfang Mai 2022 habe ich dabei insgesamt 20 Transaktionen im Gesamtwert von knapp €13.600 tätigen müssen.
Diese entfielen auf meine folgenden ETFs:
- iShares STOXX Europe 600 (19,4%)
- Vanguard FTSE North America (37,7%)
- Lyxor MSCI Pacific (4,4%)
- iShares MSCI Emerging Markets IMI (2,0%)
- iShares MSCI World Small Cap (22,5%)
- iShares Developed Markets Property Yield (14,0%)
Wie schon in den vorangegangen Bärenmärkten fühle ich mich dank meiner Anlagestrategie sehr wohl damit, bei fallenden Börsenkursen nachzukaufen.
Dies würde selbstverständlich auch bei einer Fortsetzung des aktuellen Bärenmarktes gelten (ein Szenario, das ich gegenwärtig für nicht gerade unwahrscheinlich halte).
Dahinter steht mein Glaube, dass Aktien ihren ultra-langfristigen Aufwärtstrend auch künftig beibehalten werden und daher jeder Bärenmarkt eine große Chance für den persönlichen Vermögensaufbau bietet.
Fazit
Bärenmärkte werden von vielen als Risiko für den eigenen Vermögensaufbau wahrgenommen.
Demgegenüber vertrete ich eine gänzlich andere Sichtweise.
Denn meine Erfahrungen der vergangenen 15 Jahre haben mich diesbezüglich eines Besseren belehrt.
Und mit dieser Meinung stehe ich glücklicherweise nicht alleine da.
Auch Gerd Kommer schrieb schon Mitte 2021 in einem viel beachteten Artikel, weshalb gerade junge Anleger für einen Börsencrash beten sollten.
Natürlich verstehe ich jeden von Euch, den fallende Aktienkurse nervös machen.
In diesem Fall kann ich aber jedem nur empfehlen, sich einmal in Ruhe die Börsenentwicklung der vergangenen Jahrzehnte vor Augen zu führen.
Denn trotz unzähliger Krisen und einem Bärenmarkt nach dem anderen kannten Aktien langfristig nur eine Richtung:
Danke für deine Aufmerksamkeit und weiterhin viel Erfolg beim Sparen, Investieren und frei sein!
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Mein Disclaimer
Volle Transparenz: Die von mir gehandelten Aktien, ETFs, Anleihen und Optionen sind stets mit Risiken behaftet. Auch bin ich kein Finanz- oder Anlageexperte. Sowohl mein Depot als auch meine Finanztransaktionen sind daher weder als Anlageberatung noch als Empfehlung
Mehr Informationen hierzu findest du auch in meinem Disclaimer.
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Wann veröffentlichst Du ein Depot-Update. Bis zum Februar hast du das monatlich getan. Seit dem Absturz der Märkte im März kommt von Dir dazu leider nichts mehr. Besonders in solchen Phasen ist die Depotperformance interessant und es trennt sich die Spreu vom Weizen. In den 15 Jahren Bullenmarkt davor war es nicht schwer in allen Anlageklassen Gewinne zu erwirtschaften.
Genau darauf warte ich auch seit einer Ewigkeit. So langsam bin ich ein wenig enttäuscht. Ich hatte erwartet, dass du auch mit deutlich sinkenden Kursen transparent berichtest – nur neue ATH sind langweilig, da man gerade in Krisen rational agieren muss.
Vielleicht tue ich dir aber auch Unrecht und du erklärst uns, was aktuell los ist…?
Viele Grüße,
MrTott (Chris)
Moin Chris,
wie schon gegenüber Marc erwähnt, ist es hier am Blog aus privaten Gründen zuletzt deutlich ruhiger gewesen, als in der Vergangenheit.
Mein neues Depot-Update lässt nun aber nicht mehr lange auf sich warten – versprochen 🙂
Schon morgen findest du hier alle Zahlen, Daten und Fakten für das 1. Halbjahr 2022!
Lieben Gruß
David
Moin Marc,
ich kann gut verstehen, dass sich viele von Euch gefragt haben, warum hier so lange kein neues Depot-Update erschienen ist.
Dies hatte aber tatsächlich nichts mit der aktuellen Marktphase zu tun, sondern ausschließlich private Gründe.
Das Warten hat aber bald ein Ende, denn morgen erscheint hier mein großer Depotrückblick auf das 1. Halbjahr 2022 🙂
Lieben Gruß
David
Hallo David,
ein spannender Artikel, vielen Dank dafür! Eine paar Fragen hätte ich dazu, wie gewichtest du die einzelnen Positionen, bei 6 ETF? Gibt es eine Zielgröße, wie sich jede einzelne entwickeln soll und anhand dessen kauft man entweder mehr oder weniger? Und verkaufst du auch irgendwann Teile einer Position, und gibt es dafür einen Schwellenwert?
Bin total fasziniert davon und würde gern mehr erfahren über die Anwendung in der Praxis.
Danke!
Viele Grüße,
Kristian
Moin Kristian,
bitte entschuldige zunächst meine späte Rückmeldung. Momentan komme ich leider nicht so häufig zum bloggen, wie mir das lieb wäre.
Aber nun zu deinen Fragen, die ich dir natürlich gerne beantworte:
Also ich gewichte die vier Regionen innerhalb meiner ETF-Strategie wie folgt:
Europa: 30%
Nordamerika: 35%
Asien-Pazifik: 10%
Emerging Markets: 25%
Zudem mische ich Small Caps ungefähr im Verhältnis 80:20 bei, um diesen wissenschaftlich nachgewiesenen Rendite-Booster überzugewichten.
Verkauft wird niemals. Denn sollten die ETFs besser laufen, als planmäßig vorgesehen, verzichte ich lediglich auf Nachkäufe. Das vereinfacht die Anlagestrategie ungemein 🙂
Bei weiteren Rückfragen komm gerne auf mich zu.
Lieben Gruß
David
Pingback: Während des Corona-Crashes habe ich 100.000 Euro in Aktien investiert und wurde belohnt — so habe ich vom Bärenmarkt profitieren – my24group.com
Hallo David,
die Investmentstrategie des Value Averaging von Edleson ist sehr interessant. Ich kannte diese vor deinem Beitrag nicht und ich habe mich deswegen die letzten Tage in die Thematik etwas eingelesen.
Du wandelst diese Strategie also etwas abgewandelt an, d. h. Du verkaufst bei steigenden Preisen nicht. Hast du dies mal in einer Excel Tabelle durchsimuliert? Vergleicht man die ‚originale‘ Investmentstrategie Value Averaging von Edleson mit der gängigen Strategie (Dollar) Cost Averaging auf Basis von vergangenen Daten, so soll das Value Averaging in über 70 % der Fälle das Dollar Cost Averaging schlagen. Das Dollar Cost Averaging ‚gewinnt‘ nur, wenn der Markt über einen sehr lange Zeitraum bullish ist. Allein diese Tatsache macht das Value Averaging extrem interessant.
Wenn ich das Value Averging auch durchführen würde, dann in genau der gleichen abgewandelten Form. In Deutschland haben wir eine Kapitalertragssteuer von 25 %, was bei der ‚originalen‘ Strategie wie eine Eisenkugel am Bein wirkt. Ich denke, du wendest die Methode auch in Bullenmärkten an oder irre ich mich da? Wie hoch ist dein Prozentsatz, mit dem du jährlich planst und der für dich als Grenze dient, damit du nachkaufst? Hast du diese Grenze willkürlich bestimmt oder errechnet? Ich habe etwas Sorge, dass meine Opportunitätskosten zu hoch werden, wenn sich zuviel Cash auf dem Konto ansammelt. Vor allem wenn man die jetzigen Inflationsdaten mitberücksichtigt.
Ich hoffe, ich habe dich mit meinen Fragen nicht erschlagen 🙂 ich finde diese Strategie extrem interessant und ärgere mich, dass ich davon nicht früher erfahren habe 🙂
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
Dominik