Die Deutschen gelten gemeinhin als Aktienmuffel.
Doch zuletzt hat die hiesige Aktienkultur einen merklichen Aufschwung erlebt.
Damit dieser Trend keine Eintagsfliege bleibt, habe ich mich zum Start einer neuen Interviewserie entschieden.
In dieser berichten bekannte und weniger bekannte Aktionäre über ihre Motivation, Geld an der Börse anzulegen.
Diesmal hatte ich die große Freude, mich mit einem meiner langjährigen Weggefährten unter den Granden der deutschen Finanzblogger-Szene auszutauschen.
Denn genau wie ich betreibt Ben Warje seinen Blog Divantis schon seit Anfang 2017 und findet sich seither regelmäßig unter den Top 10 Finanzblogs Deutschlands wieder.
Viel Spaß also beim nächsten Aktienplausch auf Jung in Rente!
Mein Aktienplausch mit Ben Warje aka Divantis
Ben Warje ist seit 2017 mit seinem Blog Divantis aktiv. Er ist 45 Jahre alt, Vater einer 2-jährigen Tochter und war mehr als 20 Jahre als Banker tätig. Nach seiner letzten Station als Bankvorstand machte er sich vor 2 Jahren selbstständig. In seinem Blog beschreibt er seine Investmentphilosophie und zeigt transparent seine Geldanlagen von Aktien über Renten, Immobilien, P2P-Kredite, Gold, Crowdinvesting und Kryptowährungen.
Ben, wieso gehörst du zu den 17,5 Prozent der Deutschen, die in Aktien investieren?
Wenn ich so eine Zahl lese, dann frage ich mich zuerst, warum die anderen 82,5% nicht in Aktien investieren?
Es ist doch die beste Möglichkeit, sich am Produktivvermögen zu beteiligen und damit vom Wirtschaftswachstum direkt zu profitieren!
Stattdessen beträgt der Bestand an abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen in Deutschland rund 82,8 Millionen.
Statistisch gesehen hat also jeder Einwohner in Deutschland eine Lebensversicherung abgeschlossen.
Ich investiere in Aktien seit meiner Jugend.
Begonnen habe ich in der Schule noch virtuell mit dem Planspiel Börse, mit dem Börsengang der Deutschen Telekom 1996 kaufte ich dann meine ersten echten Aktien.
Mein Elternhaus hatte schon Aktiendepots und meine Großeltern auch. Alles nicht in großem Stil, aber das Aktieninvestment war zumindest nicht verpönt bei uns.
Und von meinem Großvater stammt der Satz:
Das hat sich mir eingeprägt und so ist das auch heute eine meiner größten Depotpositionen.
Weshalb bevorzugst du Einzelaktien gegenüber ETFs?
Ich habe für mich festgestellt, dass ich erfolgreicher bin, wenn ich in Einzelaktien anlege.
Das heißt nicht unbedingt, dass ich einen Index schlage (was aber trotzdem immer mal wieder passiert).
Sondern dass mich Einzelaktien in die Lage versetzen, langfristig zu investieren und nicht bei der kleinsten Marktbewegung an einen Ausstieg zu denken.
Warum ist das so?
Und im besten Fall bin ich selbst Kunde oder nutze die Produkte und Dienstleistungen.
Dadurch erreiche ich eine Gelassenheit und auch Identifikation mit dem Unternehmen.
Und bleibe so auch in stürmischen Zeiten investiert.
Meine Erfahrung mit ETFs ist das genaue Gegenteil: Für mich sind das einfach anonyme Anlagevehikel, zu denen ich keine Bindung aufbauen kann.
Und deshalb investiere ich nicht in sie.
Trotzdem bin ich kein Gegner von ETFs, sondern gerade zum Vermögensaufbau sind sie gut geeignet.
Wo sonst kann ich schon mit einer einzelnen Sparrate von €25 eine breite Diversifikation erhalten?
Im Depot meiner kleinen Tochter laufen deshalb ETF-Sparpläne.
Jedenfalls so lang bis sie sich auch irgendwann für Einzelaktien interessiert.
Das dürfte aber vermutlich noch viele Jahre dauern.
Was hat es mit deinem Motto „nachhaltig sorgenfrei leben“ auf sich?
Die drei Worte stehen jeweils für meine Einstellung zu Aktieninvestments:
Nachhaltig: Ich setze auf Unternehmen, die ein nachhaltiges Geschäftsmodell haben und sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft, die Umwelt und ihre Mitarbeiter bewusst sind.
Ich schließe deshalb manche Branchen komplett aus meinem Anlageuniversum aus und achte bei meinen Investments darauf, dass sie z.B. durch die Mitgliedschaft in einem Nachhaltigkeitsindex als besonders nachhaltig eingestuft sind.
Dadurch gewährleiste ich soweit wie möglich, dass mein Geld in gewisser Weise auch einen Nutzen stiftet und ich nicht vom Raubbau an Mensch und Umwelt profitiere.
Sorgenfrei: Ich bin auf der Suche nach den langweiligen Aktien.
Die Aktien, die eher keine Kursraketen sind, aber auch weniger stark in Krisen verlieren.
Sie sorgt für mich dafür, dass ich nicht ausschließlich auf die Kursentwicklung angewiesen bin, sondern durch regelmäßige Ausschüttungen einen Teil des Ertrags schaffe.
Leben: Aktien sollen nicht den kompletten Tag bestimmen.
Das Leben findet außerhalb der Börse statt.
Deshalb bin ich kein Daytrader.
Gleichzeitig suche ich auch nach Aktien, die einen Teil meines Lebens begleiten.
Seien es Konsumaktien von Produkten, die ich gerne esse oder trinke.
Aber auch Unternehmen, die das Leben besser machen, sind in meinem Fokus, z.B. aus der Gesundheitsbranche.
Zusammen betrachtet ist mein Ziel, durch die Dividendenerträge nachhaltig sorgenfrei leben zu können.
Eben auf nachhaltige Art und Weise eine finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen.
Welche Rolle spielen denn Crowdinvesting-Plattformen für deine nachhaltige Geldanlage?
Ich möchte mit meinem Geld einen positiven Beitrag leisten.
Ich spende zwar auch bei akuten Notfällen, bin aber ansonsten ein Verfechter von Anreizen.
Und deshalb unterstütze ich gerne Projekte in sich entwickelnden Regionen, mit denen vor Ort die lokale Wirtschaft oder Kleingewerbetreibende ihr Unternehmen entwickeln oder klimafreundlich aufstellen können.
Ich hatte deshalb bereits vor einigen Jahren kleinere Beträge über Bettervest in Crowdinvesting-Projekte investiert.
Dabei ging es um dezentrale Stromerzeugung in Ghana, Namibia, Madagaskar oder Nigeria.
Leider sind diese von Bettervest vermittelten Projekte finanziell gesehen nicht wie geplant verlaufen.
Ich habe mich daraufhin nach anderen Plattformen umgeschaut und bin auf ecoligo.investments gestoßen.
Und habe dann auch auf Deinem Blog gesehen, dass Du dort investierst.
Mich überzeugt hierbei die Kombination meines bisherigen Ansatzes gepaart mit einem Eigeninteresse von ecoligo.investments, dass die Projekte auch erfolgreich verlaufen.
Denn das ist am Ende des Tages für mich eben erst nachhaltig.
Wenn die Projekte nicht liquidiert werden, sondern ich meinen Einsatz ordentlich verzinst zurückerhalte und noch etwas für die Umwelt und die wirtschaftliche Entwicklung getan habe.
Inzwischen habe ich in 10 Beteiligungen mit durchschnittlich €300 investiert.
Daneben investiere ich übrigens noch ganz profan in Immobiliencrowdinvestments.
Sie dienen aber ausschließlich der Geldanlage in Zeiten von Negativzinsen.
Im Vergleich zu meinen anderen Investments ist das aber nur eine kleine Spielwiese im Nachkommabereich.
Aber mir macht es einfach auch Spaß, mich immer wieder mit neuen Projekten zu beschäftigen und mir zu überlegen, ob ich die Annahmen der Projektinitiatoren plausibel finde.
Und warum investierst du in Kryptowährungen?
Ich sehe mich eigentlich gar nicht als Investor in Kryptowährungen.
Ich halte 0,1 Bitcoin, vor allem weil ich die Kursschwankungen mal selbst erleben wollte.
Und eine Achterbahnfahrt ist ja wirklich langweilig dagegen.
3 Monate nach meinem Kauf hatte sich der Kurswert verdoppelt, inzwischen steht da nur noch ein kleines Plus.
Spannend fand ich, dass immer mehr institutionelle Investoren Kryptowährungen in ihre Depots beigemischt haben.
Deshalb habe ich mich dann auch intensiver damit beschäftigt.
Und attraktiv ist natürlich auch die Steuerfreiheit von Kursgewinnen nach 1 Jahr Haltedauer.
Aber für mich kann das nur eine kleine Beimischung sein.
Ich habe bisher nicht das Gefühl, dass sie zur Stabilisierung meines Depots beiträgt.
Aber das kann ja noch kommen.
An die überzogenen Kursziele von bis zu 1 Million Dollar pro Bitcoin glaube ich auch nicht.
Was sind deine favorisierten Quellen (Bücher, Zeitungen, Blogs, Social-Media-Kanäle usw.), um informierte Investitionsentscheidungen zu treffen?
Ich lese sehr viele unterschiedliche Quellen, um mich auf dem Laufenden zu halten.
Da geht es aber mehr um die allgemeine Entwicklung, Politik und Wirtschaft.
Und daraus versuche ich dann Trends zu kanalisieren und entsprechende Unternehmen zu suchen, die in diesen Trendbranchen führend sein können.
Wirklich empfehlen kann ich ein Abonnement von Readly*.
Es kostet €9,99 im Monat und dafür erhalte ich eine Flatrate auf eine große Auswahl von Zeitschriften und Zeitungen.
Dazu gehören z.B. Börse Online und Euro am Sonntag, AnlegerPlus oder der KryptoKompass.
Aber auch die britische SHARES.
Und sonntags lese ich dort gerne den Finanzteil der WELT am Sonntag, in dem ja auch Dein Interviewgast Daniel D. Eckert regelmäßig schreibt.
Welchen Ratschlag würdest du Börsenanfängern aufgrund deiner langjährigen Erfahrung mit auf den Weg geben?
Das Wichtigste ist, wirklich anzufangen.
Nicht warten und überlegen, sondern einfach machen.
Allerdings nicht mit Einzelaktien, sondern mit einem ETF-Sparplan und einer kleinen Rate.
Und dann einfach nach einem Jahr schauen, wie sich das entwickelt hat.
Und ansonsten viel lesen und lernen!
Börse ist ein Erfahrungsfeld.
Je mehr Erfahrungen man als Einsteiger macht, umso eher entwickelt man sich zum Fortgeschrittenen.
Und Rückschläge gehören auch dazu.
Wichtig ist, dann irgendwann seine eigene Strategie zu finden.
Was will ich erreichen und wie will ich das schaffen?
Und dann diese Strategie konsequent umsetzen.
Und sich nicht von anderen beirren lassen.
Denn jeder hat kluge Tipps und Empfehlungen, die aber nur zu seiner Strategie passen.
Ben, hab vielen Dank für den Aktienplausch mit jeder Menge wertvollen Input für meine Leserinnen und Leser.
Wenn Euch das Interview mit Ben gefallen hat und ihr mehr von ihm erfahren wollt, folgt ihm unbedingt auch auf einem seiner Social Media-Kanäle:
- Blog: https://www.divantis.de
- Twitter: @divantisDE
- Facebook: Divantis
- Instagram: divantis
Aktienplausch mit anderen Aktionären
Dich interessiert, was andere Aktionäre motiviert, ihr Geld an der Börse anzulegen.
Dann wirf gerne auch einen Blick in meine weiteren Interviews:
Danke für deine Aufmerksamkeit und weiterhin viel Erfolg beim Sparen, Investieren und frei sein!
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Pingback: Schmankerl der Woche KW29 2021 –
Der Divantis ist auch ein Guter und mir gefallen seine Beiträge auf seinem Blog. Sehr sachlich und fundiert analysiert er warum er kauft oder auch verkauft.
Seine Motivation Einzelaktien zu kaufen deckt sich auch komplett mit meinen Gründen für Einzelaktien.
Danke für das Interview.
Gruß